Eine Studienfahrt auf historischen Spuren im September 2015
Die Gruppe im Haus der Wannseekonferenz
(c) Frank Reichelt, Lübow, Text und Fotos
Jüdisches Museum, Anne- Frank- Zentrum, Denkmal für die ermordeten Juden Europas, Gedenkstätte SA-Gefängnis Papestraße, NS-Geschichte an historischen Orten: Die Aktion T4 – Tiergartenstraße 4; Das Attentat vom 20. Juli – Bendlerblock, Gedenkstätte Haus der Wannsee-Konferenz, Rundgang zur deutsch-deutschen Geschichte: Potsdamer Platz, Topografie des Terrors, Mauerreste, 200 Jahre Demokratie „Wege, Irrwege,Umwege“ Ausstellung im Deutschen Dom – das waren die wesentlichen Stationen der Studienfahrt mit Schülern aus Wismar. Seit vielen Jahren arbeitet das Gerhard-Hauptmann-Gymnasium mit der Europäischen Akademie M-V in Waren und dem Verein Politische Memoriale M- V zusammen.
Wer das Programm gelesen hat, weiß, das war eine anstrengende und doch sehr erlebnisreiche Fahrt.
In diesem Jahr ging es also nach Berlin. Angekommen, ab ins Hostel Friedrichshain (empfehlenswert, Mehrbettzimmer, gutes Frühstück und gute Anbindung) und ab zum ersten Programmpunkt: Das Jüdische Museum. Anne hat in ihrem Fahrttagebuch folgendes festgehalten:
„Als wir in die Ausstellung gingen, mussten wir eine leichte Steigung überwinden, die die Hindernisse für die geflüchteten Juden symbolisieren soll. Enge und dunkle Gänge, schräge Wände – ein bedrückendes Gefühl. Alles in schwarz und weiß gehalten. Wir sahen die ‚Achse des Exils‘, die mit einer Glasscheibe endet. Sie symbolisiert die (geringe) Möglichkeit der Flucht vor den deutschen Faschisten. Dahinter der Exilgarten, in dem viele hohe Steinblöcke und Olivenbäume stehen. Wir fühlten uns sehr eingeengt, jedoch war nach oben hin Licht und die Bäume stehen für die Hoffnung. Im Gegensatz dazu endet die ‚Achse des Holocaust‘ mit einer schwarzen Wand, dahinter steht der Holocaustturm.“
Gruppenarbeit im Anna-Frank-Zentrum
Zu dem Museum gehört wohl unweigerlich auch das Denkmal für die ermordeten Juden. Hier haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Schüler einige Zeit allein in dem Stelenfeld verbringen möchten und vielleicht auch müssen. Der Rundgang mit Führung sollte immer in einem Rundgang durch die Ausstellung unter dem Stelenfeld münden, dafür können wir die audio- Geräte (für einen geringen Mietpreis) unbedingt empfehlen. Oben kann man vielleicht die Dimension der Massenvernichtung verstehen, unten in der Ausstellung sieht man den Opfern ins Gesicht, dort wird Geschichte exemplarisch.
Hung und Lena fassten ihre Gedanken zu einer eher unbekannten Gedenkstätte zusammen. „Das SA-Gefängnis in der General-Papestraße bestand nur einige Monate im Jahre 1933. Während dieser Zeit waren ungefähr 500-1000 Menschen dort inhaftiert. Das Gefängnis befand sich in einem Backsteingebäude, das aus der Kaiserzeit stammt. Spannenderweise brachte man die erste Gedenktafel an einem falschen Gebäude an und erst später konnten Zeitzeugen das richtige Haus mit dem richtigen Keller benennen. Von außen wirkte es sehr unscheinbar, und auch die Innenausstattung verriet zunächst nicht, dass es sich um ein Gefängnis handelte. Der Keller war fast vollständig im Originalzustand, was uns alle sehr beeindruckte. Bleistiftspuren an den Wänden sind als Spuren aus der Zeit zu sehen. Wir recherchierten in den Kellerräumen und stellten unsere Arbeiten in der Gruppe vor.“
Ein schönes Haus, ein wunderbarer Garten, tolle Aussicht, ein Haus in Wannsee. Aber wir waren im Haus der Wannsee-Konferenz, dem Haus, in dem in 90 Minuten über die „Endlösung“ der Judenfrage entschieden wurde, am 20. Januar 1942. Dort sahen wir auch einen aufregenden oder eher beschämenden Film: ,,Mariannes Heimkehr-Die Jüdin, der Finanzbeamte und das Dorf“. „Dieses Einzelschicksal von Marianne, Jahrgang 1919, hat uns alle tief bewegt. Angefangen von ihrer Deportation nach Riga , der Trennung von ihrer Familie, der Teilnahme an ,,Todesmärschen´´ und der Befreiung durch die Russen bis hin zu ihrer Heimkehr in ihr Dorf erfuhren wir viele bedrückende Details.“ berichteten Willi und Adrian. Wenn sich schon viele Deutsche bei der Verhaftung oder Vertreibung ihrer jüdischen Mitbewohner bereichert hatten, mussten sie nicht aus moralischen Gründen das geraubte Gut zurückgeben? Wie kann man sich da auf „ es ging alles nach Recht und Gesetz“ berufen? Es gab spannende Diskussionen in der Gruppe.
Frank Peter Reichelt